Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall Polens – von den nationalsozialistischen Machthabern lange vorbereitet und mit Begeisterung begonnen, von vielen Menschen gefürchtet und nicht gewollt. Kurz und siegreich verlief dieser Angriff, und schon im November wurden deutsche Truppen nach Westen zurückgesandt. Eine Division bayrischer Soldaten wurde in Niederfischbach einquartiert und in vielen Familien untergebracht. Freundschaften, sogar Bindungen fürs Leben entwickelten sich in den Monaten der Einquartierung, woran heute noch die Familiennamen Steger und Leitner erinnern. Im Mai 1940 mussten die Soldaten nach Belgien und Holland erneut in den Krieg abrücken. „Das gute Verhältnis zwischen Truppe und Bevölkerung zeigte sich beim Abschied“, steht in der Chronik der katholischen Volksschule. „Es war so, als ob die Söhne der Gemeinde ins Feld rückten.“
Es waren nicht die einzigen Einquartierungen, die die Fischbacher erlebten: Nach dem Frankreichfeldzug kamen französische Gefangene, Zwangsarbeiter, in den Ort und wurden, wie auch in anderen Orten des Siegerlandes, in den Industriewerken eingesetzt. Sie arbeiteten in der Siegener Eisenhandlung und wohnten in Nissenhütten, Blechbaracken, neben dem Werksgelände, wo sich heute der Edeka Getränkemarkt befindet.
Das erste Kriegsopfer musste man in Niederfischbach schon im Januar 1940 beklagen. Alois Hof, Vater von neun Kindern, war als Soldat zur Bewachung der Siegtalstrecke am Staader Tunnel bei Niederhövels eingesetzt. Er wurde im Tunnel von einer Lokomotive erfasst und tödlich verletzt.
In den Kriegsjahren bis 1943 war in Niederfischbach wenig von einem Luft- und Bombenkrieg zu spüren gewesen. Nur im April 1942 waren sieben Bomben englischer Flieger im sumpfigen Wiesengelände in Eicherhof eingeschlagen, die einen fahrenden Güterzug treffen wollten, ihn jedoch glücklicherweise verfehlten. Größere Schäden waren nicht entstanden.
Fast täglich gab es vor allem bei gutem Wetter Jagdbomberangriffe. Doch auch nachts erfolgten die Angriffe, so am 24. März auf den Bahnhof Niederfischbach. Dabei wurde Johanna Weber im Birzenthal, heute Konrad-Adenauer-Straße 81 unterhalb der Kreissparkasse, Mutter von Günter und Kurt Weber, durch die Bordwaffen eines Jagdbombers getötet.
Und immer öfter mussten die Fischbacher die Luftschutzkeller aufsuchen. Zahlreiche, damals noch nicht gefüllte Grubenstollen wurden zu Luftschutzbunkern hergerichtet: z.B. in der Schlesingstraße, in der Mühlenhardt, in der Siegener Straße und in der Kräm.
Die amerikanischen Truppen drängten die schwachen deutschen Truppen immer weiter nach Osten, und der Widerstand der deutschen Truppen versteifte sich nun in unserer Gegend. Eine Artillerieeinheit richtete sich im Raum Niederfischbach ein. Unterhalb der Haardt am „Hoorwacker“, Hofacker, stand eine Batterie mit ihren Feldhaubitzen und griff aktiv in die Abwehrkämpfe um Betzdorf und Kirchen ein. Sie wurde aber schnell wieder abgezogen.
Dieser Batterie gehörte der 19-jährige Leutnant Klaus Morré an. Unterhalb der Wasenecke, auf dem Weg nach Freusburg, erinnert heute noch ein Holzkreuz mit dem Namen „Klaus Morré“ daran, dass der junge Soldat hier seinen Tod fand.
Die Kämpfe am Giebelwald gingen weiter. „Am 4.–6. April fanden heftige Artilleriekämpfe zwischen Freusburg und Niederfischbach in der Nähe der Totenbuche und Hahnhof statt“, schreibt Pastor Engel in der Pfarrchronik. Laut katholischem Kirchenbuch fielen in diesen Tagen 25 deutsche Soldaten, einige wurden dort gefangen genommen. Um den Feind aufzuhalten, sprengten deutsche Soldaten noch am 5. April, abends um 22 Uhr, völlig sinnlos die Straßenbrücken bei Kurscheid, heute Haus Stausberg, bei Ferdinand Becker und die Eisenbahnbrücke an der Mühlenhardt. Dabei entstanden erhebliche Schäden an den benachbarten Wohnhäusern. „Auf unserem Bahnhof wurde sogar jede einzelne Weiche gesprengt“, steht in der Schulchronik. „Der Vormarsch der amerikanischen Truppen wurde dadurch in keiner Weise aufgehalten.“
Auf deutschen Befehl sollte sogar Niederfischbach geräumt werden, an andere Orte ging der gleiche Befehl. Der Räumungsbefehl war durch die Ortsschelle bekannt gemacht worden. Die Bewohner scheinen auf den „Ausscheller“, Alois Kreidt, gehört zu haben, der dem Aufruf beigefügt haben soll „Mir blejwen all hee!“ Jedenfalls leisteten sie dem Befehl keine Folge.
Am 7. April drängten amerikanische Truppen vom Hötzberg, der Fillbach und dem Rothenberg kommend nach Niederfischbach herein. Ein Angriff der Artillerie erfolgte noch von einem Wäldchen in Dirlenbach aus. Doch die Geschosse landeten auf der katholischen Kirche und beschädigten das Kreuzschiffdach und das große Bleiglasfenster auf der Frauenseite. Die letzten deutschen Soldaten zogen sich im Hahnseifen zusammen. Sie leisteten noch bis zum Mittag kurzen Widerstand kamen aber dann in amerikanische Gefangenschaft. Kurz darauf rollten amerikanische Panzer bereits über die Hauptstraße und die Mühlenhardt in den Ort. Erst am nächsten Tag, am 8. April, Weißer Sonntag, wurden die Kampfhandlungen am Giebelwald eingestellt.
Bei den heftigen Gefechten im Giebelwaldgebiet hatten viele Soldaten ihr Leben lassen müssen, meist die jungen 18- und 19-Jährigen, die am Ende des Krieges noch eingezogen worden waren. Es müssen mehr als 200 deutsche gewesen sein und sicher auch viele amerikanische. Nach den Kampfhandlungen nahmen die Amerikaner ihre Toten mit, die gefallenen deutschen Soldaten lagen weit verstreut im Wald. Freusburger Männer bargen etwa vierzig und beerdigten sie auf dem Freusburger Friedhof. Manche Toten beerdigte man auch dort, wo sie gefunden worden waren, so in der Kräm, im Hahnhof oder am Höhenkreuz. Schlichte Birkenkreuze, auf denen Stahlhelme steckten, kennzeichneten ihre Gräber.
Am Höhenkreuz war auch Theo Kutscher, der Bruder von Hiltrud Lautwein aus Altenahr, neben vier Soldaten beerdigt. Er war am 7. April 1945, 19 Jahre alt, an der Obstplantage erschossen worden, als er die Familie Stangier besuchen wollte, mit deren Sohn Josef er seit der Grundausbildung befreundet war. Nachdem er „Kleins Kalin“ (Karoline Klein), die Urgroßmutter von Dirk Rosenthal, am Hüttseifer Weg nach dem Weg gefragt hatte, nahm er die Abkürzung über die Obstplantage. Doch beim Übersteigen eines Zauns wurde er von einer Kugel tödlich getroffen. Lisbeth Stangier pflegte später sein Grab, und das war der Beginn der Bekanntschaft der Familie Stangier mit der Familie Kutscher, von der später zwei Töchter nach Niederfischbach zogen. Auch in anderen Niederfischbacher Familien entstanden durch den Krieg und nach dem Krieg Beziehungen und Freundschaften, die heute noch bestehen.
Durch die Kriegswirren hatten 174 Niederfischbacher ihr Leben verloren, die meisten waren als Soldaten an den verschiedenen Fronten gefallen.
Mit weißen Fahnen empfingen die Einwohner Niederfischbachs die einrückenden Amerikaner, voller Sorge, was mit ihnen geschehen würde. Eberhard Schulte und Elisabeth Burghaus erinnern sich, dass ihre Eltern mit Ängsten die Amerikaner ihre Häuser nach versteckten Soldaten durchsuchen sahen. Doch die drei- und fünfjährigen Kinder Rüdiger Zöller, Manfred Schlechtriemen, Josef Alzer staunten über die amerikanischen Panzer und wurden mit der ersten Schokolade ihres Lebens überrascht, die ihnen die Soldaten aus den Panzern zuwarfen.
Eine amerikanische Kompanie besetzte in den Tagen danach die Hauptstraße vom Hotel Anker bis zur französischen Villa, heute Haus Otterbach, und ließen auch Häuser unterhalb räumen, um dort einzuziehen. Nach der Klärung der Zonengrenzen kamen französische Truppen ins Dorf. Sie errichteten hinter dem Gasthof Alzer eine Sperre zur englischen Zone hin und eine Sperre am Hotel Anker. Als am 31. Mai 1945, nach vielen Jahren des Verbots, wieder eine Fronleichnamsprozession „über die früheren Straßen mit herrlichem Blumenschmuck“ durchgeführt wurde, musste sie „an der Zonengrenze am Anker vorbei“, berichtet Pastor Engel in der Chronik.
„Eine deutsche Staatsgewalt gab es nicht mehr, und an ihrer Stelle ging die französische Militärregierung … in ihrer Zone an den Aufbau eines demokratischen Staatslebens“, schreibt Lehrer Best in der evangelischen Schulchronik.
Soldatengräber als Mahnmal
Drei Soldaten waren an der Wegkreuzung von Freusburg Richtung Fischbacherwerk beerdigt worden. In den 1950er Jahren wurden sie und alle gefallenen Soldaten auf zentrale Soldatenfriedhöfe umgebettet oder in ihren Heimatgemeinden beerdigt.
„In der damals neu erstellten topographischen Karte hatte man die Stelle, an der die Soldaten gelegen hatten, mit dem Hinweis „Soldatengräber“ vermerkt“, schreibt Helmut Grindel, Freusburg, in der „Chronik des Ortes Freusburg“. Um die Kriegsgeschehen und ihre Opfer nicht vergessen zu lassen, wurde Anfang der 1990-er Jahre an der Stelle ein Mahnmal errichtet. Drei Basaltsäulen erinnern und mahnen. Auf einer der Säulen steht:
„Wanderer, verweile in Andacht
zum Gedenken
der im zweiten Weltkrieg
gefallenen Soldaten im Giebelwald.
Sie sollen uns mahnen
für den Frieden zu kämpfen,
über ihn zu wachen
und für ihn zu beten,
damit sich ein solcher Wahnsinn
nie mehr wiederholt.“